Projekt

Blick zurück nach vorn: Vergangenheitsarbeit baut Brücken in die Zukunft

Land

Kambodscha

ZFD-Akteur

Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit

Konfliktkontext: Die Geschehnisse während der Herrschaft der Roten Khmer und jahrzehntelange Bürgerkriege werfen nach wie vor Schatten auf die kambodschanische Gesellschaft. Unter den Roten Khmer starb zwischen 1975 und 1979 etwa ein Viertel der Bevölkerung durch Zwangsarbeit, Hungersnöte, Folter und Mord. Erst 1991 wurde ein Friedensvertrag unterzeichnet; der Guerillakrieg der Roten Khmer endete aber faktisch erst 1999. Durch die Gewalterfahrungen sind viele Menschen traumatisiert. 70 Prozent der kambodschanischen Bevölkerung sind zwar unter 30 Jahre alt und kennen die Geschichte nur aus vagen Erzählungen. Da die Gräuel aber eher verdrängt als aufgearbeitet wurden, ist auch die junge Generation unter den Folgen der Traumatisierung aufgewachsen. Die Aufarbeitung nach dem Vorbild internationaler Gerichtshöfe begann 2007. Doch im öffentlichen und privaten Diskurs wie auch im Bildungssystem wurden die Gräuel der Roten Khmer lange Zeit weitgehend ausgeblendet. Die Last der Geschichte lähmt daher bis heute eine Entwicklung zu Frieden, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Die Menschen in Kambodscha kämpfen nach wie vor mit ihrem schmerzhaften Erbe und müssen gleichzeitig mit den aktuellen Problemen Armut, Arbeitslosigkeit, politischen Spannungen und einem unzureichenden Gesundheits- und Bildungssystem klarkommen. In der Folge nimmt auch der (in Teilen historisch verwurzelte) Rassismus gegenüber ethnischen und religiösen Minderheiten zu. In den letzten Jahren ist zudem eine Verschlechterung der Menschenrechtslage zu beobachten, was unter anderem von den Vereinten Nationen und der Europäischen Union offen kritisiert wird. Bemängelt werden insbesondere Einschränkungen der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, die Verletzung von Menschen- und Sozialrechten bei der Landnutzung sowie die Willkür der Justiz und mangelhafte Rechtsstaatlichkeit. Presse, Opposition und Zivilgesellschaft sehen sich vermehrt Repressionen ausgesetzt, die mit Bedrohung und Gefährdung einhergehen. Nachdem bereits 20 Oppositionsparteien verboten worden waren, wurde Ende 2017 auch die einzige im Parlament vertretene Oppositionspartei CNRP und damit die stärkste Konkurrenz für die Präsidentschaftswahlen 2018 verboten. Damit hat die regierende „Volkspartei“ CPP unter Führung von Premierminister Hun Sen, der seit über 30 Jahren an der Macht ist, de facto das Mehrparteiensystem abgeschafft. Politische Gewaltenteilung existiert in Kambodscha in vielen Bereichen nur noch formal.

Projekt: Seit 2007 wird den noch lebenden Verantwortlichen der Roten Khmer (RK) vor den Extraordinary Chambers in the Courts of Cambodia (ECCC, Rote-Khmer-Tribunal) der Prozess gemacht. Dies trägt vor allem zur juristischen Aufarbeitung der Vergangenheit bei. Das ZFD-Projekt ergänzt diesen Prozess mit Maßnahmen, die sich um Wiedergutmachung, Versöhnung und Vertrauen bemühen. Mit seinen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Partnern leistet der ZFD einen wichtigen Beitrag zur Wahrheitsfindung, Erinnerungsarbeit und Traumabewältigung. All dies sind wesentliche Voraussetzungen für einen gesellschaftlichen Frieden. Gemeinsam unterstützen der ZFD und seine Partner die juristische und psychosoziale Begleitung von Opfern, die vor dem Tribunal als Zeuginnen oder als Nebenkläger auftreten. Außerhalb des Gerichtssaals werden Überlebende des RK-Regimes mit Therapie- und Selbsthilfemöglichkeiten versorgt. Unterschiedliche Dialogformate finden generationsübergreifend und innerhalb von Familien statt und fördern den Zusammenhalt der gespaltenen Gesellschaft. Der Dialog zwischen Opfern und Tätern trägt, neben der offiziellen Geschichtsschreibung, zur Wahrheitsfindung und Versöhnung bei. Darüber hinaus setzt sich der ZFD mit seinen Partnern für eine konstruktive Erinnerungskultur ein, die auch nach dem Ende des Tribunals Bestand haben soll: Museumspädagogik in Gedenkstätten, Friedenserziehung in Schulen und in der Jugendarbeit, zivile Konfliktbearbeitung in der Bildungsarbeit sind daher bedeutsame Bausteine des umfassenden Projekts. In Kooperation mit der staatlichen Universität in Phnom Penh setzen sich Studierende der beiden Fachbereiche Psychologie sowie Medien und Kommunikation intensiv mit dem Thema Vergangenheit auseinander. Im Zuge dessen entstehen eindrucksvolle Ergebnisse, die auch außerhalb der Uni Wirkung zeigen, wie zum Beispiel das Internetportal Mapping Memories Cambodia. Darüber hinaus wird versucht, das Thema auch in den Unterricht an Schulen einzubringen. Großes Potential liegt in der informellen Bildung. Hier setzt der ZFD auf die Zusammenarbeit mit in der Jugendarbeit erfahrenen Partnern. Im Tuol Sleng Genocide Museum in Phnom Penh wurde beispielsweise ein Klassenraum eingerichtet, der für die Arbeit mit Jugendlichen genutzt wird. Das Museum war früher eine Schule, die Roten Khmer machten aus ihr ein Folterzentrum. Heute ist der grausame Ort Museum, Gedenkstätte, Ort der Begegnung – und eine „Schule der Erinnerung für die Zukunft“.

Projektpartner

Department of Media and Communication (DMC) / RUPP
Department of Psychology (DP) / Royal University of Phnom Penh (RUPP)
Documentation Center of Cambodia (DC-Cam)
Kdei Karuna (KdK) [ehem. International Center for Conciliation of Cambodia (ICfC)]
Transcultural Psychosocial Organization (TPO)
Tuol Sleng Genocide Museum (TSGM)
Victims Support Section (VSS) of Extraordinary Chambers in the Courts of Cambodia (ECCC)
Youth Resource Development Program (YRDP)

Projektstandorte

Landesweit
Phnom Penh

Zielgruppen

Zielgruppen: Allgemeine Bevölkerung (Überlebende des Khmer-Rouge-Regimes sowie nachfolgende Generationen: Studierende, Schülerinnen und Schüler), Anwältinnen und Anwälte, ehemalige Täterinnen und Täter, politische Entscheidungsträgerinnen und -träger (etwa im Kultur- und Bildungsministerium), Lehrerinnen und Lehrer, Medienschaffende, Universitätspersonal

ZFD-Fachkräfte (im Einsatz)

5

Stand

1. Quartal 2024