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Corona-Pandemie: In Musik vereint

Warum Friedensarbeit in Zeiten von COVID-19 weitergehen muss? Weil jede Krise die Gefahr birgt, Konflikte zu verschärfen. Doch eine Krise kann auch dazu genutzt werden, Gräben zu überwinden. Das zeigt ein Beispiel aus Uganda. Dort haben sich auf Initiative des ZFD Musikschaffende aus zwei historisch zerstrittenen Regionen zusammengefunden. Mit einem gemeinsamen Song informieren sie über das Corona-Virus und rufen zu mehr Miteinander auf.

Die beiden Nachbarregionen Teso und Karamoja im Nordosten Ugandas zählen zu den ärmsten des Landes. Konflikte um Land und Boden, auch als Folge vorheriger Konflikte, bestimmen den Alltag. In, aber auch zwischen beiden Regionen münden diese Konflikte häufig in Gewalt. Der Zivile Friedensdienst setzt sich mit seinen Partnern in beiden Regionen für eine gewaltfreie Bearbeitung der Auseinandersetzungen ein. Im gemeinsamen Dialog zwischen den Konfliktparteien werden Vereinbarungen ausgehandelt, die für alle tragbar sind.

Als am 21. März 2020 der erste Fall von COVID-19 in Uganda registriert wurde, wussten das ZFD-Team und die Partnerorganisationen in Uganda, dass es Zeit zum Handeln ist. Angesichts des ohnehin bestehenden Konfliktpotenzials, des schwachen Gesundheitssystems und der drohenden Ernährungskrise aufgrund der jüngsten Heuschreckenplage könnte eine Verbreitung von COVID-19 verheerende Folgen haben. Anfangs entwickelten die ZFD-Fachkräfte und ihre lokalen Partner Radiospots, die für COVID-19 und sein konfliktverschärfendes Potenzial sensibilisieren. Dann kam die Idee zu einem überregionalen Musikprojekt. Denn Musik kann Menschen leichter als vieles andere zusammenbringen.

Beide Regionen, Teso und Karamoja, sind reich an Kultur und verfügen über eine lebendige Musikszene. Eine Kollaboration zwischen Musikerinnen und Musikern beider Regionen hatte es bislang noch nicht gegeben. Das mag auch daran liegen, dass die Beziehung zwischen beiden Regionen seit langem spannungs- und konfliktreich ist. Doch es war ein Leichtes, zehn junge Musikerinnen und Musiker aus Teso und Karamoja für das Projekt zu begeistern. Schwieriger hingegen war es, vor dem Hintergrund der anstehenden Ausgangs- und Reisebeschränkungen alle zehn Musikerinnen und Musiker aus verschiedenen Orten zum Studio in Moroto, einer Kleinstadt in Karamoja, zu bringen – ohne ein Infektionsrisiko einzugehen. Doch auch diese Hürde wurde genommen. Das Lied, das die „Teso & Karamoja All Stars“ dort gemeinsam im Studio geschaffen haben, ist Ohrwurm und Message zugleich.

„Das Virus kennt keine Rasse, kein Geschlecht und kein Alter“, ist die Botschaft des Songs, der in dieser beispielhaften Kooperation entstand. „Im Angesicht von Corona sind wir alle gleich – lasst uns diese Pandemie also gemeinsam bekämpfen!Das Lied macht auf die Präventionsmaßnahmen aufmerksam und warnt vor Stigmatisierung und Falschinformation. Neben COVID-19 kommt auch die illegale Aneignung von Land zur Sprache, eine wesentliche Konfliktursache in beiden Regionen. Der „Corona Virus Awareness Raising Song“, so der offizielle Titel, wird nun von Radiosendern in beiden Regionen ausgestrahlt. Auch internationale Hilfsorganisationen und das ugandische Gesundheitsministerium spielen das Lied beim Verteilen von Lebensmitteln in der Region. Und ab sofort ist das Stück auch hier zu hören: Hier geht's zum Musikvideo.


Zum Hintergrund der Landkonflikte in Teso und Karamoja
Land und Boden sind aufgrund des raschen Bevölkerungswachstums und des zunehmenden wirtschaftlichen Drucks in beiden Regionen umkämpft. Hinzu kommen weitere konfliktverschärfende Aspekte: So gibt es in der Region Teso regelmäßig Konflikte zwischen Binnengeflüchteten, die zurückkehren, und der Bevölkerung, die in der Region verblieben war. In der benachbarten Region Karamoja prallen vor allem Gruppen aufeinander, die für ihre Naturweidewirtschaft traditionell große Flächen Land beanspruchen. Die Konkurrenz um die wenigen Landflächen wird zusätzlich durch die Abgrenzung von Wild- und Waldschutzgebieten und durch den zunehmenden Abbau von Bodenschätzen mit großflächiger Landnahme durch in- und ausländische Investoren befeuert. Auch die Auswirkungen des Klimawandels erhöhen den Druck zusehends. Teilweise werden die Auseinandersetzungen durch interethnische Spannungen angefeuert. Es kommt zu Konflikten innerhalb, aber auch zwischen den beiden Regionen. Immer häufiger münden sie in Gewalt.

Die Arbeit der ZFD in Teso und Karamoja
Zusammen mit seinen Partnerorganisationen initiiert und begleitet der ZFD Dialogprozesse, an denen alle Konfliktparteien teilnehmen – vertreten durch zivilgesellschaftliche Gruppen, Abgesandte staatlicher Behörden und Lokalregierungen, traditionelle Autoritäten sowie privatwirtschaftliche und informelle Schlüsselpersonen. Ziel ist, dass sich die Beteiligten gemeinschaftlich um eine Beilegung der Konflikte bemühen und Lösungen finden, die für alle akzeptabel und praktikabel sind. Dadurch kann eine gewaltsame Eskalation verhindert werden. Mit Unterstützung des ZFD haben sich 2015 dreizehn Interessengruppen gebildet, sechs in Karamoja, sieben in Teso, an denen über 60 Institutionen und Organisationen beteiligt sind. Dadurch, dass alle Konfliktparteien involviert sind, haben die Interessengruppen in der Bevölkerung zunehmend Gewicht. So können sie Gräben überwinden und in Konflikten vermitteln. Dies geschieht durch Dialogplattformen und Mediationsprozesse, aber auch durch die Aufarbeitung und Verbreitung von Informationen zu Rechten und Pflichten der Bevölkerung und der Behörden, die für Landbesitz und Landnutzung zuständig sind.


Fotos: GIZ/ZFD / Tunapongole Pictures [Bei den Fotos handelt es sich um Screenshots aus dem Musikvideo]
Quelle: Anna Hellge/GIZ