Projekt

Überwindung der gesellschaftlichen Spaltung in Sierra Leone

Land

Sierra Leone
Westafrika

ZFD-Akteur

AGIAMONDO

Konfliktkontext: Sierra Leone war von 1991 bis 2002 Schauplatz eines grausamen Bürgerkrieges. Hunderttausende starben, wurden vertrieben, verstümmelt und traumatisiert. Die wirtschaftliche und staatliche Infrastruktur wurde weitgehend zerstört. 1999 konnte ein Friedensabkommen unterzeichnet, 2002 dann das Ende des Bürgerkriegs verkündet werden. Seitdem befindet sich Sierra Leone in einem langwierigen Prozess der Aufarbeitung und des Wiederaufbaus. In vielen Bereichen hatte das Land eine positive Entwicklung genommen: Programme zur Aufarbeitung und Versöhnung zeigten gute Erfolge. Das politische System stabilisierte sich. Die Wirtschaft wuchs. Doch die Ebola-Epidemie, die 2014 ausbrach und erst Anfang 2016 beendet werden konnte, hat das Land erheblich in seiner Entwicklung zurückgeworfen. Die wirtschaftliche Situation hat sich wieder verschlechtert. Armut und Perspektivlosigkeit bestimmen das Leben der meisten Menschen. 70 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Die Arbeitslosenquote ist immens, unter Jugendlichen liegt sie bei über 60 Prozent. Der Zugang zu Bildung, aber auch zu staatlichen Leistungen in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Justiz bleibt vielen verwehrt. Misswirtschaft, Korruption und Klientelismus sind vor dem Hintergrund schwacher staatlicher Institutionen weiterhin stark verbreitet. Die vorhandenen Ressourcen werden häufig nicht zum Wohle der Bevölkerung verwendet; Konzessionen – beispielweise zum Abbau von Bodenschätzen – werden oft an ausländische Investoren vergeben. Großprojekte zur Produktion von Kautschuk, Palmöl und Holz führen zu Landraub, dem sogenannten „Landgrabbing“, was die Verarmung der ländlichen Bevölkerung verstärkt. Die Ebola-Epidemie führte zudem zu einer (Re-) Traumatisierung vieler Menschen und erschütterte das mühsam aufgebaute Vertrauen ineinander. Bei vielen Menschen überwiegt ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit. So gilt Sierra Leone zwar vordergründig als gutes Beispiel für eine friedliche Entwicklung. Tatsächlich besteht aber weiterhin ein hohes Konfliktpotential. Oft genügt ein kleiner Anlass, damit ein Konflikt gewaltsam eskaliert. Auch das Ausmaß häuslicher Gewalt gegenüber Frauen und Kindern ist hoch. So hoch, dass Präsident Julius Maada Bio Anfang 2019 einen dreimonatigen Notstand ausrief, um strengere Gesetze und eine bessere juristische und medizinische Versorgung beschließen zu können. Bio ist seit den letzten Wahlen im März 2018 Präsident Sierra Leones und damit Regierungschef. In einer Stichwahl konnte er sich knapp gegen seinen Konkurrenten von der bis dato regierenden Partei ACP behaupten.

Projekt: Der ZFD unterstützt seine lokalen Partnerorganisationen dabei, benachteiligte Gruppen der sierra-leonischen Gesellschaft zu stärken. Dazu zählen insbesondere (von Gewalt betroffene) Kinder, Jugendliche und Frauen sowie von Agrargroßinvestitionen betroffene Gemeinden. Sie werden über ihre Rechte informiert und darin geschult, sich an (politischen) Entscheidungsprozessen aktiv zu beteiligen und ihre Position wirkungsvoll zu vertreten. Gewaltopfer erhalten juristischen und psychosozialen Beistand. Dialogprozesse und Workshops mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen tragen dazu bei, dass sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen, Perspektiven entwickeln und sich stärker in die Gemeinschaft einbringen können. Weiterbildungen in gewaltfreier Konfliktbearbeitung sorgen dafür, dass Konflikte auf lokaler Ebene konstruktiv angegangen werden, bevor sie eskalieren. Die Mitarbeitenden der Partnerorganisationen vermitteln auch aktiv in familiären, kommunalen und politischen Konflikte. Bei unausgewogenem Kräfteverhältnis stärken sie die Interessen und Rechte der Benachteiligten. Bei Mediations- und Schlichtungsprozessen agieren die Partner des ZFD als neutrale, vertrauenswürdige Drittpartei. Die Fachkräfte des ZFD bringen ihre Kompetenzen in ziviler Konfliktbearbeitung und Gewaltprävention ein. Sie schulen ihre sierra-leonischen Kolleginnen und Kollegen und sind zusätzlich in der Arbeit mit gefährdeten Kindern und Jugendlichen, an Schulen und Universitäten, in Gemeinden und mit lokalen Autoritäten aktiv. Um Veränderungen zu bewirken, die über die Arbeit auf lokaler Ebene hinausgehen, wird auch mit staatlichen Institutionen zusammengearbeitet wie beispielsweise mit der „Family Support Unit“ der Polizei sowie mit den Ministerien für Soziales, Landwirtschaft und Justiz. Darüber hinaus erreichen die Partnerorganisationen durch öffentlichkeitswirksame Medien- und Advocacy-Arbeit auch die breite Bevölkerung. Wie die ZFD-Partnerorganisationen gegen ein Ende der Gewalt an Kindern und Frauen mobilmachen, erfahren Sie in unserem Beitrag „Sierra Leone: Wie die sexuelle Gewalt stoppen?“.

Projektpartner

Advocacy Movement Network (AMNet)
AdvocAid
Caritasverband der Erzdiözese Freetown
Don Bosco Fambul
Green Scenery
Kommission Gerechtigkeit und Frieden der Diözese Bo
Universität von Makeni
West African Youth Network (WAYN)
Women Against Violence and Exploitation in Society (WAVES)

Projektstandorte

Bo Distrikt
Bonthe Distrikt
Freetown
Landesweit

Zielgruppen

Insbesondere benachteiligte Gruppen (Kinder, Jugendliche, Frauen, Gewaltopfer, enteignete Landbesitzerinnen und Landbesitzer) sowie Mitarbeitende von zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Organisationen, darüber hinaus religiöse und traditionelle Autoritäten, Vertreterinnen und Vertreter von Großinvestoren, Regulierungsbehörden, Distriktregierungen sowie staatliche Institutionen

ZFD-Fachkräfte (im Einsatz)

7

Stand

2. Quartal 2023