Offen für alle: mit Methodenvielfalt Vergangenheit aufarbeiten und den Weg zum Frieden bereiten
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Projektland
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2012 bis 2024Konfliktkontext: Nepal ist bis heute von einem zehnjährigen Bürgerkrieg gezeichnet. Zwar wurde der bewaffnete Konflikt 2006 offiziell beigelegt, doch seine Ursachen wurden nur unzureichend behoben und die Geschehnisse kaum aufgearbeitet. Das Erdbeben in 2015 hat das Land zudem in seiner Entwicklung um Jahre zurückgeworfen. Die Gesellschaft ist ethnisch, religiös und politisch tief gespalten. Armut und soziale Ungerechtigkeit bestimmen den Alltag großer Teile der Bevölkerung. Die soziale Stellung wird weitgehend durch Kaste, Geschlecht und Ethnie bestimmt. Der Rechtsstaat funktioniert in Teilen unzulänglich, Korruption und Misswirtschaft sind verbreitet. In der Bevölkerung sind Unzufriedenheit und Politikverdrossenheit verbreitet. Dieser Unmut äußert sich regelmäßig in Protesten und Streiks. Sporadisch kommt es zu Sprengstoffanschlägen, so etwa Ende Mai 2019 in der Hauptstadt Kathmandu. Seit dem Friedensabkommen von 2006 wurden wichtige Schritte in Richtung Frieden und Demokratie unternommen: 2008 wurde die Monarchie abgeschafft und die Demokratische Republik Nepal ausgerufen. Ende 2015 wurde nach jahrelangem Ringen eine neue Verfassung verabschiedet. 2017 fanden die ersten lokalen Wahlen seit über 20 Jahren statt, Ende 2017 folgten die Parlaments- und Provinzwahlen. Doch all dies hat nicht dazu beigetragen, das Land zu stabilisieren und die Bevölkerung zu einen. Die neue Verfassung hat dazu geführt, dass latente, besonders ethnische Konflikte wieder aufbrechen. Minderheiten sowie vom Bürgerkrieg besonders betroffene Gruppen fühlen sich in der Verfassung nicht ausreichend berücksichtigt. Auch die Föderalisierung des Landes und die damit einhergehende Grenzziehung zu neuen Bundesstaaten erregen den Zorn vieler Menschen. Die Auseinandersetzung mit der gewaltvollen Vergangenheit wurde von staatlicher Seite erst 2015 aufgenommen. Bis dahin war der Umgang durch Verdrängung geprägt, was die erforderliche juristische und psychosoziale Aufarbeitung erschwert hat. Sowohl Opfer, als auch Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger (MRV) wurden eher bedroht, als dass sie Unterstützung erfahren hätten. Auch gegenwärtig ist die Sicherheitslage von MRV kritisch und ihr Handlungsspielraum eingeschränkt. Sie sind dem Risiko ausgesetzt, bedroht, verleumdet und kriminalisiert zu werden.
Projekt: Mit diesem Projekt unterstützt der ZFD zivilgesellschaftliche Organisationen und Gruppen in ziviler Konfliktbearbeitung, Wahrheitsfindung und Versöhnung. Opferverbände, darunter auch das landesweite Netzwerk zivilgesellschaftlicher Opfergruppen CVCP und das Netzwerk von Menschen, die durch den Bürgerkrieg Behinderungen erlitten haben (NNDCV), werden dabei unterstützt, ihre Anliegen wirkungsvoller in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Die Partnerorganisation „The Story Kitchen“ (TSK) setzt sich beispielsweise für die vielen weiblichen Opfer des Bürgerkriegs ein, die bislang weitgehend vernachlässigt wurden. TSK hilft ihnen, sich der Vergangenheit zu stellen, ihre Geschichte zu erzählen und das erfahrene Leid zu verarbeiten. Durch Dialogforen werden außerdem unterschiedliche Interessengruppen miteinander ins Gespräch gebracht. Die nepalesische Organisation Pro Public setzt sich dafür ein, dass Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, wie politische Mandatsträgerinnen auf mittlerer Ebene, „Ward Chairs“ und Vizebürgermeister die Wichtigkeit von Mediation, Dialog und gewaltfreier Kommunikation zur Konfliktbearbeitung anerkennen. Die Partnerorganisation HURF unterstützt ebenfalls außergerichtliche Mediation auf Gemeindeebene, weil viele Leute keinen Zugang zum formalen Justizsystem haben, sei es, weil die Kosten zu hoch oder die Entfernungen zum Gericht zu weit sind. HURF schult Gemeindemitglieder auf freiwilliger Basis, damit sie in Konflikten konstruktiv vermitteln können. Auch die Mitglieder der kommunalen „Judicial Committees“ werden auf ihre Aufgabe vorbereitet. Derartige Justizausschüsse sind gemäß der neuen Verfassung von 2015 Bestandteil des nepalesischen Justizsystems. Im Zuge der Kommunalwahlen 2017 wurden sie erstmals bestimmt. Die Ausschüsse bestehen aus der jeweiligen Vizebürgermeisterin beziehungsweise dem Vizebürgermeister und zwei Mitgliedern der Gemeindeverwaltung, die Streitigkeiten auf Gemeindeebene an Mediationszentren verweisen sollen. Kommt es hier zu keiner gemeinsamen Einigung, darf der Ausschuss eine Entscheidung treffen. Doch die wenigsten Mitglieder bringen die dafür erforderlichen Kompetenzen mit. Problematisch ist außerdem, dass Exekutive und Legislative miteinander vermischt werden. HURF und Pro Public schulen die Mitglieder daher in Mediation und Konfliktbearbeitung und machen ihnen die Problematik ihrer Doppelrolle bewusst. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Theaterarbeit. Partner werden unter anderem darin unterstützt, die Methode des Forumtheaters in Nepal zu verbreiten. Hier finden Gewaltopfer eine Plattform, Erlebtes öffentlich zu machen und zu verarbeiten. Bei jeder Vorstellung wird das Publikum aktiv eingebunden. Gemeinsam werden die Geschehnisse reflektiert und Lösungen entwickelt. Dadurch werden bestehende Denkmuster hinterfragt und neue Wege aufgezeigt. Der ZFD und sein Partner, das Mandala Theatre Nepal, haben darüber hinaus einen entscheidenden Anteil an der Organisation des „Nepal International Theatre Festival“. 2019 stand das Festival unter dem Motto „Theater für soziale Veränderung: eine künstlerische Reise“.