Projekt
Netzwerk für den Frieden: Lokale Gruppen regeln Konflikte
Land
ZFD-Akteur
Konfliktkontext: Guinea-Bissau zählt zu den ärmsten Ländern der Erde. Ein wesentliches Entwicklungshindernis ist die politische Instabilität. Im Land kommt es immer wieder zu Staatsstreichen, Militärputschen, bewaffneten Aufständen und politischen Morden. 1998 eskalierte die Situation und entwickelte sich innerhalb der Hauptstadt Bissau zu einem Bürgerkrieg, der bis 1999 andauerte. Während dieser Zeit wurden über 400.000 Menschen, mehr als ein Drittel der damaligen Bevölkerung, zu Vertriebenen im eigenen Land. Die ohnehin schwache Wirtschaft wie auch die mangelhafte Infrastruktur erlitten schwere Schäden. Bis heute bestimmen Armut und Perspektivlosigkeit das Leben der meisten Menschen. Auch die politische Instabilität dauert an, wie zahlreiche Putsche beziehungsweise Putschversuche, unter anderem 2003, 2009, 2010 und 2012, und die rasch wechselnden Regierungen zeigen. Der von 2014 bis 2019 amtierende Präsident José Mário Vaz hatte gleich mehrfach Premierminister inklusive Regierungen entlassen. Seit 2015 hat der politische Machtkampf das Land praktisch lahmgelegt: Parlament, Präsident und Regierung blockierten sich gegenseitig. Die Ursachen für diese Instabilität hängen zum einen mit der konfliktreichen Beziehung zwischen und innerhalb der militärisch-politischen Elite zusammen; Rechtsstaat und Gewaltenteilung sind in vielen ländlichen Regionen schon aus Ressourcenmangel (Personal, Bildung, Sachmittel) kaum vorhanden. Zum anderen zieht der Casamance-Konflikt im Nachbarland Senegal auch Guinea-Bissau in Mitleidenschaft. Im Süden des Senegals wird seit 1982 ein gewaltsamer Autonomiekonflikt ausgetragen. Kriegshandlungen mehrerer Rebellengruppen, Drogen- und Waffenschmuggel, Zwangsrekrutierungen, systematische Vergewaltigungen, zerstörte Dörfer, Verminung und Grenzkonflikte erschüttern seit 30 Jahren die gesamte Region. Auch die Parlamentswahlen im März 2019 haben keinen politischen Neuanfang gebracht. Die bisherige Regierungspartei PAIGC erzielte die meisten Sitze, verfehlte aber die absolute Mehrheit. Das könnte sich als Chance erweisen, da die Krise der letzten Jahre durch PAIGC-interne Querelen verursacht war, die 2018 zur Spaltung der ehemaligen Einheitspartei führten. Es kann aber genauso gut die politische Instabilität aufrechterhalten. Ende 2019 konnte Oppositionsführer Umaro Cissoko Embalo die Stichwahl ums Präsidentenamt für sich entscheiden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit es ihm und der neuen Regierung gelingt, die Lage im Land zu stabilisieren.
Projekt: Das Engagement des ZFD begann mit der Unterstützung von Kriegsopfern. Einige unter ihnen suchten den direkten Kontakt zu Militärs, um sie für gewaltfreie Konfliktlösungen zu gewinnen. Auf diese Weise kam ein zivil-militärischer Dialog zustande, an dem Polizei, hochrangige Militärs und zivilgesellschaftliche Akteure gleichermaßen teilnahmen. Aus einer Theatergruppe der Kriegsversehrten entstand schließlich die Organisation „Grupo de Teatro do Oprimido – Bissau“ (GTO-Bissau), die inzwischen der Hauptpartner des ZFD ist. Anfangs lag der Schwerpunkt auf der aus Brasilien stammenden Methode des „Theaters der Unterdrückten“. Bei der realitätsnahen Inszenierung konkreter Konflikte wird das Publikum miteinbezogen und zur aktiven Lösungssuche angeregt. Heute setzt GTO-Bissau neben der Theaterarbeit und anderen Methoden ziviler Konfliktbearbeitung vor allem auf Mediation. Seit 2015 haben GTO-Bissau und ZFD ein Netzwerk lokaler Friedensarbeiterinnen und -arbeiter aufgebaut. Die insgesamt 300 Freiwilligen aus allen Regionen des Landes wurden in Friedensbildung und gewaltfreier Konfliktbearbeitung geschult. Das Netzwerk umfasst derzeit elf lokale Gruppen, die vor Ort bestehende und aufkommende Konflikte bearbeiten. Mit Erfolg: Es konnten bereits über 50 kommunale Konflikte beigelegt werden – Streit um landwirtschaftliche Flächen, religiöse Differenzen, Streit zwischen traditionellen und staatlichen Autoritäten, Dorfgemeinschaften und Naturschutzgebietsverwaltungen. Dadurch wurde verhindert, dass aus den Konflikten ein Flächenbrand wurde. Auch in der aufgeheizten Stimmung im Wahljahr 2019 haben sich die Mitarbeitenden von GTO-Bissau und ihre Kooperationspartner deeskalierend eingebracht, unter anderem mit 30 Wahlbeobachterinnen und -beobachtern. Das Projekt kooperiert auch mit Justizbehörden und anderen staatlichen Institutionen sowie mit zivilgesellschaftlichen Partnern. Vor Ort wird auch eng mit den örtlichen Radiostationen zusammengearbeitet, um die Reichweite des Projekts zu vergrößern. Vor der Präsidentschaftswahl Ende 2019 wurden beispielsweise elf Radio-Theaterstücke zur Problematik ethnischer, religiöser und finanzieller Beeinflussung auf 20 Sendern insgesamt 130 Mal ausgestrahlt.