Projekt
Konflikt-Transformer: Kompromisse und Kooperationen statt verhärteter Fronten
Land
ZFD-Akteur
Konfliktkontext: Bolivien befindet sich seit der Jahrtausendwende in einem tiefgreifenden sozialen und politischen Wandel. Nach Jahren politischer Instabilität wurde mit Evo Morales 2005 zum ersten Mal ein Vertreter der indigenen Bevölkerung Staatspräsident. 2009 und 2014 wurde er im Amt bestätigt. Unter Morales erhielt Bolivien 2009 eine neue Verfassung als „plurinationaler“ Staat. Der damit verbundene Umbau des Staates birgt Chancen, verstärkt jedoch auch Interessenkonflikte zwischen Regierung, indigenen Organisationen und anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen. Die Gesellschaft ist nach wie vor durch Ungleichheit geprägt. Die Armut ist trotz beachtlicher Fortschritte weiterhin groß, vor allem im ländlichen Raum und innerhalb der indigenen Bevölkerung, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung Boliviens ausmacht. Ihre soziale, politische und wirtschaftliche Beteiligung bleibt eine Herausforderung. Ebenfalls große Ungleichheit besteht zwischen Männern und Frauen. Zwar hat sich der Zugang für Frauen und Mädchen zu Bildung, Arbeitsmarkt und Politik in den letzten Jahren nachweislich verbessert, im privaten und öffentlichen Raum sind sie aber weiterhin Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt. Extremstes Beispiel dafür ist die hohe Femizidrate (Zahl der ermordeten Frauen), die dritthöchste in ganz Lateinamerika. Auch andere Formen genderbasierter Gewalt sind verbreitet: So werden 70 Prozent aller bolivianischen Frauen im Laufe ihres Lebens zumindest einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt. Und obwohl Frauen mittlerweile mehr als die Hälfte aller gewählten politischen Ämter innehaben, erfahren mehr als 50 Prozent von ihnen im Rahmen ihrer Amtsausübung Mobbing, Erpressung und körperliche oder sexuelle Übergriffe. Neben der sozialen Ungleichheit bilden Auseinandersetzungen um Ressourcen, insbesondere Wasser und Boden, wesentliche Konfliktherde. Diese Konflikte können vor dem Hintergrund existentieller Sorgen schnell eskalieren und in Gewalt münden. Zumal auch der Unmut über Politik und Staat wieder wächst. Trotz wichtiger Reformen konnte Evo Morales viele Erwartungen nicht erfüllen. Außerdem war sein Handeln zunehmend auf Machterhalt ausgelegt und von autoritären Tendenzen geprägt. So wurde etwa der Handlungsspielraum von Opposition, Zivilgesellschaft und Presse immer wieder beschnitten. Dies führte zu wachsendem Widerstand, der sich immer häufiger in Streiks, Straßenprotesten und Blockaden äußert. Ein erhöhtes Konfliktpotenzial besteht auch bei geplanten Infrastrukturprojekten, dem Abbau von Bodenschätzen und dem Ausbau industrieller Landwirtschaft. Bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2019 wurde Evo Morales zunächst zum Wahlsieger erklärt. Da es bei der Stimmenauszählung zu Unregelmäßigkeiten gekommen war, brachen in zahlreichen Städten wochenlange Proteste aus. Am 10. November kündigte Morales zunächst Neuwahlen und schließlich seinen Rücktritt an. Am 12. November erklärte sich Jeanine Áñez zur Interimspräsidentin. Die für den 3. Mai 2020 vorgesehenen Neuwahlen wurde aufgrund der Corona-Pandemie auf den 18. Oktober 2020 verschoben. Auch wenn es unmittelbar vor den Wahlen vereinzelt zu gewalttätigen Übergriffen kam, verlief der Wahlgang selbst ohne nennenswerte Vorkommnisse. Entgegen der meisten Meinungsumfragen stand der neue Präsident bereits nach dem ersten Wahlgang fest: Luis Arce Catacora, langjähriger Wirtschaftsminister unter Evo Morales.
Projekt: Trotz zahlreicher entwicklungspolitischer Fortschritte in den letzten zehn Jahren, bestehen viele strukturelle Probleme fort. So kommt es weiterhin zu Konflikten, die häufig gewaltsam ausgetragen werden. Mit diesem Projekt arbeitet der ZFD in den drei Regionen des Südens von Bolivien (Potosí, Chuquisaca und Tarija) mit seinen lokalen Partnerorganisationen daran, Eskalation und Gewalt zu mindern und bestenfalls ganz zu verhindern. Dazu wird auf Methoden der gewaltfreien Konfliktbearbeitung unter Einbezug der indigenen Kultur gesetzt. Die ZFD-Fachkräfte unterstützen ihre Partnerorganisationen dabei, bisherige Erfahrungen in ziviler Konfliktbearbeitung auszubauen und anzuwenden. Besonders wichtig sind hierbei Konfliktanalyse-, Mediations- und Verhandlungstechniken. Neben Workshops und Fortbildungen stehen Dialog- und Mediationsformate zur Vermittlung zwischen Konfliktparteien auf dem Programm. Zivilgesellschaftliche, aber auch öffentliche Akteurinnen und Akteure werden motiviert und unterstützt, Konflikte konstruktiv und gewaltfrei anzugehen. Statt verhärteter Fronten sind dann Kompromisse und Kooperationen das Ergebnis ihrer Auseinandersetzungen. Die Stärkung der Frauenrechte ist dabei ebenfalls ein wichtiges Arbeitsfeld. Frauen sollen dahingehend gestärkt und befähigt werden, konstruktiv an Konfliktbearbeitung und zivilgesellschaftlichen Prozessen mitzuwirken. Dadurch soll langfristig auch das Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt gesenkt werden. Perspektivisch wird zudem das Radio eine wichtige Rolle in der Prävention und Bearbeitung von Konflikten in den drei Departamentos einnehmen. Konfliktsensible Berichterstattung und partizipative Formate, die der „einfachen“ Bevölkerung eine Stimme geben, tragen dazu bei, Konflikte zu entschärfen, anstatt sie anzustacheln. Mit seinen Partnern arbeitet der ZFD daher daran, friedensjournalistische Radioprogramme zu entwickeln und zu produzieren. Diese werden dann über basisnahe Radiostationen auf lokaler Ebene ausgestrahlt und erreichen auf diese Weise auch Menschen in entlegenen ländlichen Gebieten. Zugleich wird über zentrale Sendestationen eine überregionale Ausstrahlung angestrebt.